Die Vorgeschichte
Im Buch „Flugabenteuer – zwischen Wüsten und arktischem Ozean“ habe ich auf Seite 14 – 30 die Geschichte der Klemm KL20 meines Vaters ausführlich geschildert. Ebenso berichte ich über den Flugzeugkonstrukteur Hanns Klemm, dem Motorkonstrukteur Ferdinand Porsche und dem KL20 Weltflug von Friedrich Karl Freiherr von Koenig-Warthausen. Außerdem beschrieb ich, wie mein Vater in Böblingen seine Motorflugausbildung machte, wie er Hanns Klemm und Ferdinand Porsche persönlich kennenlernte und wie er 1932 selbst zu einer Klemm KL20 gekommen ist. Etwa 6 Jahre flog er damit von der Grothe Wiese in Stadt Haag aus, am Ennser Exerzierplatz und am Donau-Flugplatz Linz Katzenau Passagier- und Werbeflüge.
1938 wurde das Fliegen mit privaten Flugzeugen verboten, daher zerlegte er das Flugzeug und versteckte es während des 2. Weltkrieges in verschiedenen Bauernstadln in Haag. Während der russischen Besatzung wurde der Rumpf von den Russen entdeckt und als Boot im Jochteich – heute Tierpark Haag – benützt. Dadurch wurde er so in Mitleidenschaft gezogen, dass nach Abzug der Russen eine flugfähige Aufrüstung nicht mehr möglich war. Bis 1987 waren die Teile in einem Stadl untergebracht, dann dem Flugzeugmuseum Graz überlassen. Zur Renovierung der Zelle kam es in die HTL Eisenstadt und später wieder nach Graz. Bis zum heutigen Tag sind die Arbeiten aber immer noch nicht abgeschlossen, und das Flugzeug ist zerlegt in einem Container gelagert statt aufgebaut im Museum. Der Motor wurde 1970 gegen einen gebrauchten VW Käfer der Firma Mercedes Salzburg eingetauscht. 2006 konnte ich ihn nach abenteuerlichen Recherchen in Stuttgart wieder zurückkaufen. Damit war der weltweit einzige original erhaltene Mercedes Porsche Motor wieder in meinem Besitz. Obwohl um 1930 eine große Anzahl dieser Motoren gebaut wurden, waren inzwischen weltweit nur mehr verschiedene Komponenten vorhanden, aus denen Motoren zusammengebaut werden konnten.
In der Zwischenzeit begannen mehrere Flugzeug-OldtimerEnthusiasten Klemm Flugzeuge zu restaurieren oder nachzubauen. Eine Gruppe in Stuttgart unter der Leitung von Martin Konermann begann mit dem Nachbau einer KL20 und der Rekonstruktion eines Motors aus verschiedenen Einzelteilen. Anlässlich einiger Aufenthalte in Stuttgart besichtigte ich den Baufortschritt der KL20-Zelle und des Motors. Am 09. März 2011 wurde der Motor zum ersten Mal gestartet, zu einem Erstflug kam es aber bisher wegen Arbeitspausen und behördlicher Probleme nie.
Ferdinand Porsches´ Enkel Ernst Piëch lässt KL20 nachbauen
Der Enkelsohn von Ferdinand Porsche, Herr Ing. Ernst Piëch, errichtete in Mattsee das Museum Fahr(T)raum in dem Autos, Traktoren und zukünftig auch Flugzeuge, deren Motoren sein Großvater konstruiert hatte, ausgestellt werden. Schwerpunkt sind Exponate, die Ferdinand Porsche bei der Firma Lohner, Austro Daimler, in Stuttgart den KdF-Wagen und VW Käfer sowie in Malta den Porsche Sportwagen 356 konstruiert hatte. Sämtliche ausgestellten Autos sind fahrbereit und werden auch immer wieder gefahren. Porsche Sportautos, die nach dem 2. Weltkrieg konstruiert wurden, sind in verschiedenen anderen Museen untergebracht. Zum Beispiel im Größten, im Porsche Werk Stuttgart Zuffenhausen, im Traumwerk von Hans-Peter Porsche in Anger-Aufham oder im Porsche Museum in Malta, Kärnten.
Als Ferdinand Porsche um 1920 als Chef-Konstrukteur bei Mercedes Stuttgart arbeitete, entwickelte er einen kleinen 2-Zylinder Flugzeug-Boxermotor (F7502), der in der Folge auch Basis für den VW Käfer 4-Zylinder Boxermotor wurde. Dieser Motor wurde für die Leichtflugzeuge der Firma Klemm in Böblingen verwendet. Mit Klemm KL20 Flugzeugen wurden mehrere Weltrekorde und Langstreckenrekorde für Leichtflugzeuge erzielt. Für Ernst Piëch war es daher klar, auch eine KL20 für sein Museum zu beschaffen. Da es weltweit keine einzige flugfähige KL20 gibt, musste eine neue gebaut werden. Er beauftragte die Firma CraftLab – Koloman Mayrhofer in Pitten in NÖ – sowohl einen Hansa Brandenburg Doppeldecker mit Porsche-Motor, als auch eine Klemm KL20 nachzubauen. Berichte über Bau- und Erprobungsflüge sind auf www.craftlab.at zu sehen. Es ist beabsichtigt, in Mattsee eine eigene Flugzeughalle zu errichten, wo Flugzeuge mit Porsche Motoren ausgestellt werden sollen.
Vaters KL20, Porsche-Motor und Propeller als Bauvorlage
Auf Einladung von Ernst Piëch besuchten wir ihn und sicherten ihm unsere Unterstützung durch zur Verfügung stellen von Flugzeugkomponenten, Motor und Propeller des Flugzeugs meines Vaters zu. Da es keine Originalbaupläne gab, war das die einzige Möglichkeit, ein in allen Details originalgetreues Flugzeug nachzubauen. Die Arbeiten begannen 2016, für Recherche wurden 800 Stunden, für die Zelle 5.600 und für den Motor 1.300 Arbeitsstunden aufgewendet. Ewald und ich waren während der Bauzeit mehrmals in Pitten und konnten uns dabei über den Baufortschritt und der präzisen Arbeit überzeugen. Begleitet und kontrolliert wurde der Bau durch Austro Control, auch der Motor musste viele Stunden am Prüfstand laufen, bevor das Flugzeug zur Flugerprobung freigegeben wurde.
Am 25.06.2020 war es so weit. Die weltweit einzige flugfähige Klemm KL20 mit der Kennung OE-VKL startete nach etwa 90 Jahren zu ihrem Jungfernflug. Geflogen wurde sie von Sebastian Knapp, dem Mitarbeiter der Firma CraftLab, der den gesamten Bau geleitet hatte. Alles verlief perfekt und bei weiteren Testflügen wurden verschiedene Erprobungsprogramme absolviert. Der Militärflugplatz Wiener NeustadtWest war dafür die ideale Basis, denn dort konnte die Maschine auch hangariert und weiterbearbeitet werden.
Zum ersten mal live erlebt
Am 21. August 2020 war wieder ein Testflug angesagt. Koloman Mayrhofer, Inhaber der Firma CraftLab, lud uns ein, bei diesem Flug dabei zu sein. Jahrzehnte hatte mein Vater als er noch lebte, von seinem Flugzeug und seinen Flügen geschwärmt, nun sollten wir zum ersten Mal eine KL20 im Flug erleben und den einzigartigen Motorensound hören.
Weil wegen Militärbetrieb am Flugplatz Wiener NeustadtWest die Flüge nur bis 08:00 Uhr morgens erlaubt waren, weckte uns der Wecker bereits um 04:30 Uhr, damit wir noch vor 06:00 Uhr mit der DA40 von Seitenstetten zum Flug nach Wiener Neustadt starten konnten. An diesem Tag war es so klar wie selten, absolut windstill und die im Osten aufgehende Sonne bescherte uns einen traumhaft schönen Flug. Eine Sondergenehmigung zur Landung auf allen österreichischen Militärflugplätzen hatten wir schon im Frühjahr besorgt. In Wiener Neustadt angelangt, wurde die KL20 gerade mit einem Porsche Nostalgie-Traktor vom Hangar zur Startstelle gezogen. Sebastian Knapp bestieg die Klemm und nach Starten mit dem Seilzugstarter, hörten wir zum ersten Mal den Sound des 20 PS 2-Zylinder Porsche Boxer-Motors. Nach Warmlaufen und kurzer Startstrecke hob das Flugzeug ab und stieg langsam auf 300 Meter. Durch mehrmaliges Überfliegen konnten wir die Silhouette des Flugzeuges aus allen Perspektiven genau sehen, fotografieren und filmen. Alles, was bisher nur auf alten Fotos zu sehen war, besonders auch der spezielle Klang des Motors, war nun erstmals Realität. Unglaublich … Nachdem das vorgesehene Erprobungsprogramm abgeflogen war, landete Sebastian und wir konnten beobachten, dass auch die Landestrecke so kurz war wie sie Koenig-Warthausen in seinem Buch „Mit 20 PS und Leuchtpistole“ beschrieb. Das Flugzeug wurde wieder zum Hangar gebracht und für weitere Testflüge vorbereitet.
Nach diesem für mich ergreifenden Erlebnis machten wir uns alsbald wieder auf den Weg zurück und nach einer Flugzeit von 36 Minuten landeten wir wieder in Seitenstetten.
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